Saturday, February 27, 2016

Die Durchsetzungsinitiative DSI – Ein Appell

Liebe Kollegen und Freunde

In der Öffentlichkeit bin ich eher politisch leise. Der Grund ist, dass ich als Gast in diesem schönen Land lebe. Daher achte und respektiere ich den Gastgeber, welcher aus guten Gründen seine eigene Meinung vertritt.

Die Durchsetzungsinitiative DSI jedoch geht über das für mich persönlich vertretbare Mass deutlich hinaus. Sie bewegt mich dazu, meine Meinung öffentlich bekannt zu machen. Ich würde mich freuen, wenn meine Kollegen und Freunde, die ich in den über elf Jahren hier gewinnen durfte, diese Meinung wahrnehmen und reflektieren.

Integration ja oder nein?

Liebe Kollegen und Freunde, die Durchsetzungsinitiative (https://www.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis433t.html) verstehe ich als eine Deklassierung meiner Person zu einem Mitglied 2. Klasse. Sie gefährdet meine Existenz, welche ich hier in der Schweiz sehe, welche aus meiner Wahrnehmung heraus vollkommen integriert ist und mitten im Leben steht. 

Gerne gebe ich Ihnen die Möglichkeit sich selbst ein Bild meiner Integration zu machen und nenne ein paar Punkte, die für mich wertvoll und wichtig dazu beitragen:
  • Im Berufsleben wirke ich seit Jahren im Kader von bekannten Schweizer Unternehmen, eine Zeit als Mitglied der Geschäftsleitung und Partner. Es ist eine Freude mit meinem Kollegen zusammen das Unternehmen zu entwickeln zu einem Top Unternehmen in der Schweiz und darüber hinaus.
  • Nebenberuflich engagiere ich mich an Fachhochschulen in der Schweiz. Ich unterrichte dort und betreue Masterarbeiten. Ausbildung sehe als einen Kernpunkt und Verpflichtung einer gesunden und leistungsfähigen Gesellschaft an – neben der persönlichen Freude meine berufliche Erfahrung an die jüngere Generation weiter zu geben.
  • In meiner Freizeit engagiere ich im Miliz System in der SAQ Schweizer Gesellschaft für Qualität. Über Jahre hinweg leitete ich den Lenkungsausschuss der Fachgruppe Informatik und organisiere nach wie vor Fachgruppen und Konferenzen mit dem Ziel Wissen zu verbreiten und Kompetenzen aufzubauen.
  • Mit der gleichen Leidenschaft für die Sache gründete ich mit Kollegen den Swiss Agile Leaders Circle, ebenfalls eine Community engagierter Personen mit dem Ziel Wissen und Kompetenzen über Unternehmensgrenzen hinweg zu teilen und zu verbreiten.
  • Privat sind meine Frau und ich eng mit Schweizer Familien befreundet. Wir verbringen Wochenenden zusammen im Ferienhaus, helfen uns gegenseitig, wenn Hilfe notwendig ist, treiben zusammen Sport und lieben es anschliessend abends ein Glas Rotwein zusammen zu geniessen. Meine Kinder – beide mittlerweile berufstätig – sind voll integriert hier, einschliesslich der perfekt gesprochenen Schyzerdütsch meines jüngeren Sohnes.
  • Meine Frau ist auf freiwilliger Basis engagiert in einem Kaffee einer altersgerechten Wohnstiftung und betreibt dieses zusammen mit weiteren Frauen und als sozialer Treffpunkt für die Bewohner.


Warum ich mich durch die DSI gefährdet fühle

Die DSI hebelt eine grundlegende Errungenschaft der Demokratie aus: Die Gewaltenteilung. Selbstverständlich ist das Volk der Souverän. Jedoch nicht in der Form, die Herr Blocher herausstreicht. Seine Interpretation ist, dass die Legislative die Überhand über die Judikative bekommt. Die Ausschaffung findet nach der Forderung der DSI zwingend und ohne juristische Überprüfung statt. Faktisch wird damit die Gewaltenteilung aufgehoben. Die Gesetzgebung dominiert die richterliche Überprüfung. Das mag nun sehr theoretisch klingen. Ich konstruiere im Folgenden einfach einmal ein mögliches Szenario gemäss der DSI.
  1. Im Jahr eins nach der Annahme der DSI werde ich an einer S-Bahn Haltestelle abends von zwei Personen tätlich angegriffen. Da ich fit und sportlich bin, ist es mir möglich einem der beiden Angreifer meine Faust in den Magen zu rennen, das Überraschungsmoment zu nutzen und davon zu rennen. Leider gereicht mit dieser Vorgang zum Nachteil. Da ich den Vorgang nicht beweisen kann und die Zeugen zwei zu eins gegen mich sind, werde ich nach Art. 123 StGB wegen einer einfachen Körperverletzung verurteilt.
  2. Im Jahr acht nach der Annahme der DSI hat meine Frau oder einer meiner Söhne einen folgenreichen Unfall. Ich werde angerufen. Emotional bewegt fahre ich viel zu schnell mit dem Auto in Richtung Krankenhaus und werde von der Polizei gestoppt. Aufgewühlt, wie ich bin reisse ich mich aus dem Griff eines Beamten, er stolpert und fällt zu Boden. Die Auslegung dieses Vorganges wird mir als Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) ausgelegt.

Diese beiden Vorgänge genügen. Die Folge ist (Zitat aus der DSI): «Die Landesverweisung ist durch die zuständige kantonale Behörde im Anschluss an die rechtskräftige Verurteilung beziehungsweise nach Verbüssung der Strafe unverzüglich zu vollziehen». Ganz offiziell stellt sich die DSI sogar über das Völkerrecht (Zitat): «Die Bestimmungen über die Landesverweisung und deren Vollzugsmodalitäten gehen dem nicht zwingenden Völkerrecht vor».

Meine gesamte Existenz wäre somit durch diese beiden Vorfälle vernichtet. Ich wäre gezwungen tatsächlich in die Fremde zu gehen – denn mein Lebensmittelpunkt ist hier, in diesem Land, in dieser Gesellschaft, hier bei meinen Kollegen und Freunden.
Liebe Kollegen und Freunde ich bitte euch zu reflektieren wie viele Personen Ihr kennt und sehr gut kennt, die seit Jahren mit euch zusammen hier wirken und leben und sich engagieren. Alle diese sind bei Annahme der DSI dieser Gefahr ausgesetzt sehen und als Bürger zweiter Klasse.

Die Verhältnismässigkeit ist nicht gegeben

Laut Statistik (Zahlen aus 2014) leben 1.9 Mio Ausländer in der Schweiz. 1.3 Mio aus der EU/EFTA, vorwiegend aus Deutschland, Frankreich und Italien.

Ist es wirklich verhältnismässig eine überwiegend stille, gut integrierte und ohne Unterschied zu einem Schweizer Bürger im gemeinsamen Wertesystem lebende Menge an Menschen zu deklassieren, um einem sorgfältig geschürten Angstszenario nachzugeben?

Ich würde es als einen tragischen Verlust für die gesamte Gesellschaft sehen, wenn es einem kleinen, wenn auch sehr lauten Teil der politisierenden Gesellschaft gelingt die Mehrheit dermassen schädlich zu beeinflussen: Das Völkerrecht als zweitrangig zu manifestieren, die Grundwerte der Demokratie auszuhebeln und 15% der Bevölkerung zu deklassieren und ihre Existenz potentiell zu gefährden.

Was sind die nächsten Schritte

Nicht nur die DSI sehe ich als einen ernsten Schritt an. Die sich aufzeigende von einigen wenigen voran getriebene Entwicklung an sich ist gefährdend. 

Wie geht diese Entwicklung weiter? 
Kommt als nächstes eine Initiative, welche auch Personen, die eingebürgert wurden, die Staatsbürgerschaft zwingend wieder aberkennt unter bestimmten Bedingungen? 
Und als dritter Schritt die zwingende Aberkennung der Schweizer Staatsbürgerschaft für jedermann, wenn eine gewisse staatsfeindliche Gesinnung nachgewiesen werden kann?

Solche schleichenden Schritte sind die typischen Anfänge einer unheilvollen Entwicklung. Morgen ist die erste Chance dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ich persönlich nehme die Schweizer Gesellschaft als eine Gesellschaft der Mitte wahr. Eine Gesellschaft mit einer mächtigen Kraft diese Mitte zu wahren und Extremen in jeder Form entschieden entgegen zu treten. Ich würde mir wünschen genau dies Morgen zu erkennen.


Rainer Grau, Bonstetten, Samstag der 27.02.2016

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